Rebekka Sommer, Marketing für soziale Einrichtungen

Werbeagentur für soziale Einrichtungen – was muss sie können?

Ist es im Marketing sozialer Einrichtungen wichtig, eine Werbeagentur mit besonderer Expertise im sozialen Bereich zu haben? Die Frage begegnet mir seit zehn Jahren immer wieder. So lange bin ich etwa als Texterin und Konzepterin tätig. Kurz: Ich glaube nicht, dass es zwingend spezialisierte Werbeagenturen für soziale Einrichtungen braucht. Aber ein paar Dinge können die Zusammenarbeit wesentlich erleichtern.

Für mich ist es hier und da ein Vorteil, dass ich einen Master in Sozialer Arbeit habe. Soziale Arbeit wird von Kreativen manchmal verwechselt mit „was Gutes tun“, mit freiwilligem Engagement oder der Arbeit von Non-Profit-Organisationen. Soziale Arbeit beginnt aber oft erst da, wo gut gemeinte Hilfe aufhört. Sie findet häufig im Auftrag von Behörden statt und erfordert so viel rechtliches, fachliches, konzeptionelles Wissen und Reflexionsvermögen, dass von außen gar nicht so leicht verständlich ist, was die »Sozialen« da eigentlich tun.

Ein Beispiel aus dem Marketing sozialer Einrichtungen:

Wenn man gemeinsam eine Broschüre, Website oder Kampagne entwickelt, kann es hilfreich sein, zu wissen, dass das Jugendamt die Hilfen für eine Familie bewilligt – und die Familie sich nicht uneingeschränkt aussuchen kann, welche Art von Hilfe sie wie lange haben möchte, weil sie die ja nicht selbst bezahlt. Die Familie hat aber durchaus das Recht, zwischen zwei gleich teuren Hilfen einen Favoriten zu wählen und selbst mit der sozialen Einrichtung Kontakt aufzunehmen. Und das macht Sinn, denn Hilfen sind besonders wirksam, wenn sie von den Adressat*innen gewollt und gewählt sind.

Im Marketing sozialer Einrichtungen geht es aus meiner Sicht deshalb oft auch darum, benachteiligten Menschen informierte Entscheidungen zu ermöglichen (also in verschiedenen Sprachen, in einfacher Sprache, an ihren Bedürfnissen orientiert). Auch, wenn traditionell gedacht die Behörde – also hier das Jugendamt – die wichtigere Zielgruppe ist und es vielleicht auch gar nicht gerne sieht, wenn Hilfeempfänger*innen sich selbst informieren können und eigenständig Hilfen vorschlagen.

Das ist wichtig, damit Zusammenarbeit zwischen Kreativen und Sozialarbeiter*innen gelingt: 

  • Ausreichend Zeit für Austausch einplanen

  • Werteorientierte Kommunikation: Botschaften haben Priorität vor Klickzahlen
  • Klischeefreie Bildern – kreative Lösungen finden!

  • Sozialarbeiter*innen werden durch die Werbeagentur empowert, ihr Wissen zielgruppengerecht weiterzugeben (Content Marketing)

  • Respektvolle Darstellung von Adressat*innen; ggf. kommen sie selbst zu Wort oder testen die Werbemittel

Umfrage: Braucht es spezialisierte Werbeagenturen für Soziale Einrichtungen?

Im Marketing sozialer Organisationen spielt die Wortwahl eine wichtige Rolle, genauso wie die interne Kommunikation rund ums Marketing. Und wenn eine Werbeagentur sich auf Soziale Arbeit spezialisiert hat, ist die Website, Broschüre oder Kampagne vielleicht schneller fertig, es gibt weniger Abstimmungsschleifen und Stolpersteine und die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen sind besser mitgedacht.

Andererseits ist es für Kreative das täglich Brot, sich in die Besonderheiten, Bedürfnisse und Zielsetzungen ihrer Kund*innen hineinzuversetzen. Das ist bei einem Fassadenspezialisten nicht anders als bei einem Fünf-Sterne-Hotel oder eben bei einer sozialen Einrichtung. Und manchmal kann es den kreativen Prozess auch beflügeln, wenn jemand von außen einen frischen Blick darauf wirft, was soziale Einrichtungen eigentlich so alles leisten.

Das sagen drei Kollegen:

Ich bin überzeugt, dass es spezielle Dienstleister für den sozialen Sektor braucht. Oft sind die Ziele, Zielgruppen und Arbeitsweisen von gemeinnützigen Organisationen deutlich anders als in anderen Sektoren, was zu Reibungen und fehlendem gegenseitigem Verständnis führen kann. Das bedeutet aber nicht, dass externe Agenturen immer schlecht sind. Sie können durch den externen Blick viel Mehrwert bieten, der Aufwand einer Zusammenarbeit ist aber fast immer höher.

Jona Hölderle, www.pluralog.de

Zwar stehe auch ich zwischen Design und Sozialer Arbeit, ich würde aber nicht sagen, dass Soziale Arbeit spezielle Designer braucht. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass ich nicht gut eine Dachdecker-Firma oder eine Zahnärztin beraten könnte.

Diese Diskussion, ob eine persönliche biografische Nähe eher förderlich oder hinderlich ist, gibt es ja auch in der Sozialen Arbeit, z.B. im Kontext von Beratung. Es kann sein, dass ich als Berater die Erlebnisse meiner Klient*innen durch meine eigenen Erfahrungen besser verstehen kann – es kann aber auch sein, dass ich den Anderen meine Deutungen überstülpe, wenn ich davon ausgehe, dass ihre Erlebnisse meinen ähneln.

Da die Lebensgeschichten der Fachkräfte und die der Adressat*innen oft unterscheiden, sagt Soziale Arbeit: Gute Arbeit kommt nicht aus der Eingebundenheit, sondern aus der professionellen Distanz. Diese wird kombiniert mit dem Wissen um das systemische Nicht-Wissen und einer gewissen Neugier: »Ich weiß, dass ich dich nie wirklich verstehen kann. Aber ich will es dennoch gerne versuchen.«

Simon Sleeghers, www.simonsleegers.de

Gute Kommunikatoren können sich in alle Zielgruppen und Branchen hineindenken. Damit ist es auch für die Soziale Arbeit legitim, sich breite Unterstützung zu holen und zu prüfen, ob das unterstützende Kommunikations-Team die Branchenspezifika und die Ziele der Organisation verstanden hat. Auch die Kommunikationskanäle sind ja für die meisten Kommunikationsaufgaben gleich.

Aus unserer Erfahrung macht die Branchenerfahrung bei der Umsetzung allerdings schon einen großen Unterschied. Das beginnt mit den Mitarbeitenden in für die soziale Branche spezialisierten Agenturen. Diese sind meist wegen der klaren Ausrichtung auf diese Branche bei der Agentur. Damit ist ein Kundenauftrag nicht nur „Charity-Projekt“ sondern Berufung für jeden einzelnen im Team. Das spüren die betreuten Organisationen besonders in länger andauernden Projekten.

Und: Ein soziales Angebot lässt sich nicht bewerben wie ein Konsumprodukt. Es sind andere Ziele und Zielgruppen damit verbunden. Hier geht es um Werte und Glaubwürdigkeit und nicht um Traumwelten, wie sie in der klassischen Werbung als Konsumanreiz inszeniert werden. Und da kann es anstrengend werden: Wo liegen tatsächlich die Qualitäten des Angebotes, wer entscheidet über den »Erfolg«: Die Klienten, oder doch deren Angehören – oder gar die Kassen? Die zentrale Frage ist: Wie schaffen wir Glaubwürdigkeit? Wenn es ein Konsumprodukt gibt, darf der Anbieter auch unglaubwürdig sein, trotzdem kann es erfolgreich sein. In der Sozialen Arbeit ist hingegen die geduldige und sensible Suche nach diesen Qualitäten und Werten die Grundlage von Kommunikationsstrategien und Kommunikationsmaßnahmen. Da ist es sehr nützlich, wenn man weiß wie die Mitarbeitenden sprechen und arbeiten, welche Werte sie bewegen.

Neben diesen weichen Faktoren gibt es bei der Sozialen Arbeit spezifische Themen, die auch eine spezifische Herangehensweise erfordern. Dazu gehört das Employer-Branding und die Gewinnung von Pflegekräften ebenso wie die Ansprache von Angehören. Aber auch barrierefreie Kommunikation und einfache Sprache sind wichtige Bausteine für diese Branche. Je mehr Erfahrung hier existiert, desto besser. Spezialisierte Agenturen können hier ganz sicher punkten.

Oliver Viest, em-faktor.de

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